„Wenn wir unseren Blick auf die Ur- und Frühgeschichte verändern und an die Fakten anpassen, wird ersichtlich, dass Patriarchat und Gewalt keine Charakteristika dieser Zeit waren. Das kann uns Hoffnung vermitteln – denn die Geschichte ist offenbar nicht vorherbestimmt. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das Patriarchat ablösen müssen, durch eine Gesellschaft, in der die Geschlechter miteinander und nicht gegeneinander arbeiten.“

Das Buch „Weibliche Unsichtbarkeit – Wie alles begann“ ist für mich eine absolute Entdeckung.

Buch liegt auf dem Tisch

Es berührt mich in einer ganz besonderen Art und Weise. Denn schon seit ich denken kann, spüre ich eine subtile, manchmal sehr konkrete und manchmal sehr diffuse Sprache in unserer Gesellschaft, die Frauen immer noch vermittelt, in der zweiten Reihe zu stehen.

Bei mir begann das schon, als ich noch ganz klein war. In meiner Herkunftsfamilie herrschte Gewalt. Mein Vater war ein Despot und Sadist und er vermittelte meiner Mutter, meiner Schwester und mir über viele Jahre, dass wir nichts wert sein, nichts könnten und auch nichts dürften. Aufgewachsen in einer sozialistischen Gesinnung, wurde mir im Kindergarten und in der Schule etwas anderes vermittelt. Dort waren Mädchen absolut gleichgestellt. In diesem Kontext war es sogar eher „normal“, dass Mädchen erfolgreicher, intelligenter und sozial kompetenter seien als Jungen. Und voller Dankbarkeit saugte ich diese andere Realität förmlich in mich auf.

Als sich das gesellschaftliche System durch die Wende änderte, hatte ich gerade fertig studiert und war bereits Mutter eines einjährigen Sohnes. Sich in dem neuen kapitalistischen System und einer Leistungsgesellschaft zurechtzufinden, gelang mir gut. Trotzdem begegnete mir immer und immer wieder eine tiefsitzende gesellschaftliche Ungerechtigkeit, die Frauen vermittelte, dass wir nicht reichen. Und dass das auch Gründe hatte, die wissenschaftlich auch so nachweisbar waren.

Je älter ich wurde, umso intensiver spürte ich die Frage, nach dem „Wieso?“ Wann begann es eigentlich, dass Frauen in die zweite Reihe geschoben wurden? Hatte es nur etwas mit Religion zu tun? Waren wir wirklich Sammlerinnen, die sich freuten, wenn die Jäger in die Höhle zurückkehrten? Diese Stigmatisierung fühlte sich für mich einfach falsch an und ich fand mich in dem gesellschaftlich geprägten Bild des FrauSeins auch nicht wieder. Immer und immer wieder suchte ich nach Antworten dafür, wann dieses Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen überhaupt entstanden ist, denn dass es tatsächlich existent sein sollte, leuchtete mir nicht ein. Und wenn ich mich umschaute, sah ich um mich herum so viele Frauen, die ihre Kompetenzen nicht auslebten.

Und nun, da ich im April 58 Jahre werde, begegnet mir endlich das Buch: „Weibliche Unsichtbarkeit – wie alles begann“.

Es erzählt, warum und wie eine völlig verschrobene Sicht auf Weiblichkeit und deren Kompetenzen überhaupt entstehen konnte. Es rückt ein Bild gerade, dass sich in Männern und Frauen gleichermaßen manifestiert hat. Es löst eine Ungerechtigkeit auf, die nicht nur ich, sondern viele andere Frauen längst nicht mehr ertragen können.

Dieses Buch ist eine absolute Offenbarung und ich empfehle jedem Mann und jeder Frau aus tiefstem Herzen, es zu lesen. Ich empfehle, die Inhalte in die Geschichtsbücher mit aufzunehmen und diese an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen. Denn das Patriarchat ist nicht die Lösung. Es ist ein 2000-jähriges Machtgehabe, das sich selbst als Gesellschaft lähmt und blockiert.