Frauenfußball – wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass diese Sportart für mich bisher keine Bedeutung hatte. Und das, obwohl ich mich für Intersektionalen Feminismus und Diversität ständig und überall einsetze. Ach was, ich atme, nein ich lebe diese beiden Begriffe und eines meiner Credos ist: In meinem Kopf gibt es keine Schubladen, sondern nur offene Regale.

Und doch muss ich selbstkritisch feststellen, dass Frauenfußball in mir bis vor Kurzem nicht wirklich existent war. Fußball = Männer. Punkt. Unglaublich, wie fest manche tradierten Strukturen unbewusst in uns verankert sind. Doch gestern wurde ich eines Besseren belehrt und ich bin sehr dankbar für diese Lektion.

Was ich gestern sah, war ein extrem kraftvolles Spiel. Was ich auch sah, waren Frauen, die befreit wirkten. Als Chloe Kelly sich beim 2:1 das Trikot vom Leib riss und im Sport-BH über den Platz rannte, fühlte sich das einfach nur richtig an. Warum sollte es auch nicht richtig sein, denn Fußballer machen dies ja auch ständig, wenn sie richtig etwas zu feiern haben und die Gelbe Karte gibt es dann so oder so.

Befreit fand ich auch Olaf Scholz, der in der Pause interviewt wurde. Nein, ich bin kein Fan von ihm. Mir fehlt das Charisma, er wirkt oft hölzern und leidenschaftslos. Wenn er Reden hält, wirken die gezwungen und gestelzt und wenig überzeugend. Und doch stand er da gestern vor der Kamera, strahlte ein Lächeln in den Raum, das ich ihm wirklich glaubte. Er war begeistert, und diese Begeisterung war echt. Extra aus seinem Urlaub gekommen, war ihm dieses Spiel wichtig. Und es war ihm wichtig zu thematisieren, dass die Frauen im Fußball mit einem verhältnismäßig geringen Gehalt abgespeist werden und dass sich das dringend ändern muss.

Befreit wirkten heute auch die Fußballerinnen in Frankfurt, als sie ca. 10.000 Fans gegenüberstanden. Vielleicht wussten sie da schon, dass gestern 18 Millionen Menschen das Finale vor dem Fernseher verfolgten. Selbst meinen 73-jährigen Nachbarn – dem Feminismus und Frauenrechte so egal sind, wie nur irgendwas, hörte ich laut durch die offenen Fenster brüllen: „Neeeeeein, jetzt hat England ein Tor!!!!!“

Unsere Fußballfrauen werden nicht nur für ihr Können, sondern auch für ihre Werte gefeiert: Authentisch sind sie, ehrlich, sie stehen füreinander ein, stärken sich, sind fair und ein wirkliches Miteinander ist ihnen wichtig.

„Tragt diese Werte in unsere Gesellschaft, dann sind wir bald alle ein Stück weiter“, sagte die Bundestrainerin heute in ihrer Rede in Frankfurt. Recht hat sie.

WIR ändern diese Gesellschaft. Denn wir SIND die Gesellschaft.