Es ist längst Alltag in deutschen Unternehmen – ehemalige Geflüchtete, die inzwischen Mitarbeitende sind, bewältigen den Arbeitsalltag und tragen dabei tiefste Traumata in ihrer Seele. Kriege, Verfolgung, Vergewaltigungen haben sie erlebt und erlebt. Sie mussten zusehen, wie Familienmitglieder, vielleicht die eigenen Kinder oder Ehepartner starben. Sie konnten oft nicht helfen, ließen zurück, retteten sich, während andere blieben. Und diese anderen starben nach und nach oder verschwanden. Oder was noch schlimmer ist, wollten nachkommen und konnten es aus vielerlei Gründen nicht. Das Erlebte ist unter dem Alltag präsent, wird zusätzlich getriggert, wenn Nachrichten aus dem Heimatland kommen – meist keine guten.

Wie nun damit umgehen, wenn der/die Mitarbeiter*in auf einmal mitten in einem Gespräch laut in Tränen ausbricht oder unkontrolliert zu zittern anfängt? Ein konsternierter, abwartender Blick aus dem Fenster ist genauso wenig angebracht, wie ein derbes Schulterklopfen verbunden mit den Worten: „Das wird schon“ oder eine überschwängliche Umarmung, bei der beide aus dem Gleichgewicht kommen. Naheliegend ist vielleicht auch der Gedanke, den Rettungswagen zu rufen, doch was in einem solchen Moment tatsächlich gebraucht wird, ist wahrhaftige Menschlichkeit.

Ein Glas Wasser, das Sie holen, verschafft der Person eine kurze Verschnaufpause, die möglich macht, sich zu sammeln. Eine anschließend wirklich ehrlich gemeinte Frage, ob die Person etwas erzählen, sich aussprechen möchte, ermöglicht es, sich zu öffnen, falls das in diesem Moment angebracht oder notwendig ist. In einem solchen Fall ist es wichtig, wirklich zuzuhören, denn wenn sich Ihnen ein Mensch unter solchen Umständen anvertraut, ist das ein Zeichen von großem Vertrauen, das Sie wertschätzen sollten. Blicke aufs Handy oder auf die Uhr sind absolut unangebracht.

Und nun kommt ein ganz wichtiger Punkt: Wenn ein Mensch Ihnen von seinen Traumata erzählt, geht es in den meisten Fällen nicht darum, dass Sie irgendwelche Lösungen für die Person entwickeln sollen! Sondern, es geht um wahrhaftiges Zuhören, um Dasein, darum, dass diese Person die Emotionen, die sie gerade fühlt, mit anderen teilen kann. Es ist wichtig, dass Sie der Person auch zutrauen, mit dem Erlebten umzugehen – auf stabilisierende, erwachsene, mitfühlende Art und Weise. Es ist absolut unangebracht, in eine „Eltern-Rolle“ zu gehen und angeblich besser zu wissen, was diese Person nun braucht.

Wenn die Person Signale gibt, dass sie das Gespräch beenden möchte, ist ein Angebot von Augenhöhe zu Augenhöhe hilfreich. „Kann ich Ihnen in der aktuellen Situation irgendwie helfen?“, oder „Gibt es irgendetwas, das ich tun kann?“ oder „Wissen Sie, welche konkrete Angebote es in Deutschland gibt oder kann ich Sie bei der Suche nach denselben unterstützen?“, sind passende Sätze, die Angebote, aber keine Ratschläge oder aufdringliche Ideen sind.